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Der berühmte Ausspruch „es wächst zusammen, was zusammen gehört“ ist Brandt am Tag nach der Maueröffnung (10. November) bei der großen Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus gar nicht über die Lippen gekommen. Unter Tränen und „Willy-Willy“-Rufen hatte der Altkanzler und SPD-Ehrenvorsitzende zu den Berlinern gesprochen und vom Zusammenwachsen Europas, nicht Deutschlands gesprochen. Es waren Historiker, die erst später, als der Ausspruch längst zur parteiübergreifenden Sprachformel während des Einheitsprozesses aufgestiegen war, dem Zitat auf den Grund gingen.
Dabei kam Erstaunliches heraus. Im Mitschnitt der Rede Brandts vom Balkon des Rathauses, wo er zusammen mit Kanzler Kohl und Außenminister Genscher stand, fehlen die berühmten Worte. Selbst in seinen „Erinnerungen“ hat Brandt den Satz nicht erwähnt. Tatsächlich ist der Wortlaut der historischen Aussage in zwei Zeitungsinterviews nachzulesen. Interviews, die vor oder nach der Rede im kleinen Kreis zwischen Tür und Angel geführt wurden. Furore machte der Ausspruch erst mit Verspätung. Sogar die Zeitungen, die Brandt um seinen Auftritt auf dem Rathausbalkon am 10. November befragt hatten, entging die Wirkkraft des Satzes. Sie wählten andere Überschriften, allgemeinere.
Richtig populär wurde das Zitat erst durch eine Wandzeitung der SPD. Brands Partei ließ die Worte ihres Ex-Kanzlers Ende November für die Infokästen der Ortsvereine in einer Stückzahl von 6000 Exemplaren drucken. Endgültig geadelt wurde das Brandtsche Bonmot auf dem Parteitag der Sozialdemokraten im Dezember in Berlin. An der Stirnseite des Saales prangten die Worte in großen Lettern. Sie waren das Motto des Parteitages.
(https://www.dw.com/de/willy-brandt-es-w%C3%A4chst-zusammen-was-zusammen-geh%C3%B6rt/a-16431107)